
Ein Gasthaus, irgendwo zwischen Schweinfurt und Bamberg. Der alte Holzboden ist frisch gebohnert, die Fenster sind mit Küchengardinen bespannt. Auf der Fensterbank: reihenweise Stöckla, wie die Topfpflanzen hier heißen. In der Küche backt die Wirtin Karpfen in Mehl heraus und legt Bratwürscht auf den Grill. Die paar Gäste, die sich werktags zum Mittagessen einfinden, werden von der Oma bedient. Deren Schürze ist geblümt, ihre Neugier dagegen unverblümt. „Wo sänn Sie nachad her?“, will sie vom fremden Gast wissen, der zufällig in ihr Gasthaus gestolpert ist. Und kommentiert seine Antwort mit einem undurchschaubaren „Ach, Gottla“-Seufzer, bevor sie wieder hinter die Theke eilt, um das nächste Bier zu zapfen …
Natur pur auf rund 14.000 Quadratkilometern
Was sie damit meinte? Schwer zu sagen. Franken gibt seinen Besuchern eben gelegentlich Rätsel auf. Es ist der ungeschminkte Teil des Freistaats, dem es erst 1816 zufiel: herber, direkter, echter. Zwischen den hohen Wäldern des Spessart im Westen und dem Fichtelgebirge im Osten gibt es an den Bauernhäusern keine Luftmalerei, vor den Holzbalkons blühen seltener Geranien. Und obwohl Franken die geographische Mitte Europas darstellt, ist es vielerorts noch fast unberührt. Nirgendwo in Deutschland gibt es mehr Naturparks als hier – mit rund 14.000 Quadratkilometern entfällt mehr als die Hälfte der Gesamtfläche Frankens auf neun geschützte Grünbezirke. In der Rhön etwa, der Eingangspforte nach Bayern, lässt es sich stundenlang wandern, ohne auf Schritt und Tritt anderen Leuten zu begegnen. Nördlich der Frankenmetropole Nürnberg, in der Fränkischen Schweiz, schlug die Geburtsstunde der deutschen Romantik, als zwei literarisch begabte Studenten aus Berlin Ende des 18. Jahrhunderts durch die grünen Felsentäler bis nach Bayreuth wanderten. In begeisterten Briefen schilderten sie die glasklaren Mühlenbäche, die Fachwerkhäuser, die auf bizarren Felsen balancieren, und die halb verfallenen Burgen. Fast alles lässt sich heute noch bewundern.
Der würzige Duft von Malz und Hefe
Franken ist eine Region, die vermutlich mehr Stoff für Entdeckungen bietet als der Rest von Bayern. Irgendwo hinter der nächsten Kreuzung würzt der Metzger die Bratwürste ein wenig anders, braut eine andere Kleinbrauerei ein etwas anderes Bier. Überhaupt, das Bier: Nirgendwo gibt es noch eine solche Vielfalt wie in Oberfranken. Fast jedes Dorf kennt seine eigene Spezialität, allein in und um Bamberg sind noch rund 90 Brauereien in Betrieb. Über der Domstadt, einem denkmalgeschützten Gesamtkunstwerk zwischen Gotik und bürgerlichem Barock, liegt denn oft auch ein würziger Duft von Malz und Hefe. Die Produkte werden meist unfiltriert ausgeschenkt, was den Bieren ein feineres Aroma verleiht. Am besten schmeckt das frisch gezapfte Seidla natürlich in einem der vielen dörflichen Bierkeller – man sitzt dabei unter schattigen Bäumen, prostet dem Nachbarn zu und genießt fränkische Brotzeitklassikern wie den Ziebeleskäs, einen mit Pfeffer und Schnittlauch gewürzten Quark.
Guter Wein, gutes Essen und herzliches Beisammensein
Den Gegensatz zum Bierfranken stellt Weinfranken, die Region entlang des Mains und seiner Nebenflüsse, dort, wo er das sogenannte Maindreick bildet. Geselligkeit und Kulturreichtum prägen das Fränkische Weinland, eingebettet zwischen Spessart, Steigerwald, Rhön und Taubertal. Ihren Mittelpunkt bildet die alte unterfränkische Bischofsstadt Würzburg, die Barock in überfülle präsentiert. Kunstschätze wie die von Balthasar Neumann erbaute fürstbischöfliche Residenz mit dem weltberühmten Deckengemälde von Tiepolo und die Skulpturen Tilman Riemenschneiders zeugen vom Schaffen bedeutender Künstler.
Rund um Würzburg laden eine Vielzahl schmucker und romantischer Winzerorte wie z.B. Volkach, Dettelbach, Rödelsee oder Kitzingen, eine der ältesten Städte Unterfrankens, zum Probieren ihrer feinen Tropfen ein. Der fränkische Silvaner präsentiert sich markig und saftig, der Müller-Thurgau besonders blumig und muskatbetont. Rieslinge sind selten. Jede der fränkischen Lagen liefert einen Wein von ausgeprägter Eigenart, aber alle haben sie eines gemeinsam: den unverkennbaren Charakter. Er ist erdig, sehr körperreich, meist trokken ausgebaut und mit keinem anderen Wein vergleichbar. Eben etwas Besonderes – wie seine fränkische Heimat.
Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken
Die Region Franken (auch Frankenland genannt) ist im Wesentlichen in drei Bezirke unterteilt:
Bildquellen:
- Der Ölschnitzsee im Landkreis Kronach (Oberfranken): 121375910 © Henry Czauderna / Fotolia.com
- Ehemalige Fischersiedlung Klein-Venedig in Bamberg (Franken): 116643775 © powell83 / Fotolia.com
- Panoramablick über Würzburg (Unterfranken): 95869062 © refresh(PIX) / Fotolia.com
- Schloß Johannisburg in Aschaffenburg (Franken): 153777890 © dietwalther / Fotolia.com
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